Hallo,
in meinem Beitrag „September und Winter“ hatte ich ja ausgeführt, dass dem September hinsichtlich des Winters eine große Bedeutung zukommt.
Baur hat zu dieser Beziehung eine Regel aufgestellt, bei der es bisher (mindestens seit 1880) keine Ausnahme gibt, allerdings nur, wenn man die Baurschen Grundlagen zur Kenntnis nimmt. Die Regel lautet:
„Wenn im letzten Septemberdrittel der mittlere Luftdruck in Berlin und Moskau über dem Regelwert, in Moskau um mehr als 2 hPa darüber liegt und wenn in Moskau auch der mittlere Luftdruck des ganzen September höher als normal ist, dann kann mit hoher Wahrscheinlichkeit in Mitteleuropa ein milder Winter erwartet werden.“
Diese 3 Bedingungen müssen also erfüllt sein. Eine Umkehrung gibt es nicht. Man kann also nicht folgern, wenn diese Bedingungen nicht erfüllt sind, dann wird der Winter zu kalt. Wenn sie nicht erfüllt sind, kann der Winter zu kalt oder zu mild werden.
Baur definiert Mitteleuropa als Durchschnitt aus De Bilt, Potsdam, Basel und Wien. Den Temperaturmittelwert dieser Stationen errechnet er aus dem Zeitraum 1761 – 1970 und bezieht die Abweichungen ebenfalls auf diesen Zeitraum.
Nun kann man natürlich mit Recht die Frage stellen, hat diese Regel in Zeiten des Klimawandels überhaupt noch einen Sinn. Als Beispiel wird gerne der September 2005 angeführt, in welchem diese Bedingungen zutrafen. Der Winter 2005/06 war nach dem Durchschnitt 1961 – 90 in Mitteleuropa zu kalt, nach den Baurschen Werten hatte er eine Abweichung von 0,0 K, also keine Ausnahme (0,0 ist erlaubt). Insofern muss man diese Regel jedoch relativieren. Was sie trotzdem auch heute noch aussagt, ist – wenn die Bedingungen zutreffen – dass ein Winter wie zum Beispiel 1962/63 oder 1984/85 oder 1995/96 ausgeschlossen ist. Möglich ist jedoch ein Winter wie 2005/06 oder auch 2009/10 wäre möglich gewesen, die Abweichung nach Baur betrug hier -0,1 K (auch dies ist noch erlaubt).
Baur hat in seinem Buch „Grosswetterkunde und langfristige Witterungsvorhersage“ geschrieben, man könne den oben genannten Zeitraum auch um 10 Tage nach hinten verschieben. Auf dieser Grundlage hat er dann die Prognose des Winters 1961/62 abgegeben. Ich habe bis vor wenigen Jahren auch diesen Zeitraum herangezogen. Dann wurde ich jedoch aber im WZ – Forum belehrt, dass für September / Oktober 1962 diese Bedingungen zutrafen, der Winter 1962/63 dann aber der „Jahrhundertwinter“ wurde. Seither beachte ich diesen Zeitraum nicht mehr.
In diesem Jahr sind die Bedingungen besagter Baur – Regel „nicht“ erfüllt. Der Luftdruck in Moskau des Monats September war unterdurchschnittlich, wie hier zu sehen ist (Moskau hat die Koordinaten 55° 45′ N 37° 37′ E):
Des Weiteren wird sowohl in Bauernregeln als auch in Statistiken gesagt, dass auf einen warmen, vor allem sehr warmen September ein milder Winter folgt, auf jeden Fall in den weitaus meisten Fällen. Ich habe in meinem Beitrag „September und Winter“ dann versucht zu differenzieren, unter welchen Prämissen ein solcher Winter mild oder leicht zu kalt / durchschnittlich wird. Der September 2016 war in Deutschland rekordwarm, aber er passt auf Grund seiner nordhemisphärischen Druck – und Geopotentialanomalien zu keiner der in jenem Beitrag genannten Gruppe. Vom September 2006 unterscheidet er sich in dieser Hinsicht wie die Nacht vom Tag, wie hier zu sehen ist:
2016 hoher Druck Nordsibirien, tiefer Druck nördlich Alaskas und Kanadas, 2006 genau umgekehrt.
Die Bodendruckanomalien des September 2016, dabei habe ich jetzt die Aktionszentren farblich herauskristallisiert, den hohen Druck über Nordsibirien, den tiefen Druck im europäischen Russland (um die Bedingungen für die Baursche Regel auszuschließen), den tiefen Druck bei Island sowie nördlich von Alaska / Kanada.
Vergleichsjahre zu dieser Konstellation sind: 1948, 1950, 1962, 1983, 1987, 1999, 2011, 2012, auch hier habe ich die Essentials farblich hervorgehoben, hoher Druck Nordsibirien, tiefer Druck europäisches Russland, Island, Seegebiet nördlich Alaskas / Kanadas.
In den jeweils folgenden Wintern ist alles vertreten, sehr kalt, kalt, mild und sehr mild. Eine Aussage für den Einzelfall lässt sich nicht treffen, trotzdem eine Zusammenschau:
Bodendruckabweichungen der folgenden Winter:
Temperaturabweichungen:
Nimmt man noch den März hinzu, werden die Anomalien eher noch deutlicher, Bodendruck:
Temperatur:
Was die Prognose für den Winter 2016/17 betrifft, möchte ich mich – für diese Analyse – auf Baur zurückziehen, bei Nichterfüllung der Bedingungen: Der Winter 2016/17 wird in Mitteleuropa entweder sehr mild, mild, kalt oder sehr kalt, dabei könnte der Spätwinter (Februar, März) negative Temperaturanomalien aufweisen, vielleicht.
Gruß
KHB