Hallo,
dem September wird ja eine große Bedeutung für den Charakter des folgenden Winters nachgesagt. Es gibt alte Bauernregeln, die einen Zusammenhang zwischen Septemberwitterung und Winter herstellen, es gibt statistische Untersuchungen. Und tatsächlich hat der September eine gewisse Aussagekraft, vereinfacht gesagt, ein in Deutschland zu kalter September führt eher zu einem kalten Winter und ein zu warmer September eher zu einem milden Winter. Es gibt natürlich Ausnahmen. Um diese auszuschalten, wird oft darauf hingewiesen, dass ein besonders warmer September zu einem milden Winter führe, während bei einem nur leicht zu warmen September keine Aussage getroffen werden könne. Setzt man jedoch die Temperaturgrenze für „warmen September“ sehr hoch, erhält man nur relativ wenige Jahre, setzt man sie tiefer, erhält man zwar mehr Jahre, aber die Ergebnisse werden wiederum zu verwaschen (auf die gute alte „Baur – September – Regel“ werde ich Anfang Oktober eingehen).
Folgt man dem Gedanken, dass ein deutlich zu warmer September zu einem milden Winter führt, könnte man versuchen, die Jahre auszugrenzen, die „trotzdem“ zu einem durchschnittlichen oder sogar einem zu kalten Winter führen (ich beziehe mich bei meinen Angaben immer auf den Durchschnitt 1961 – 90).
Als Kompromiss zwischen Septemberwärme und genügender Anzahl an Jahren setze ich als Grenze: mindestens 1,5 K über nomal (also über 1961 – 90).
Seit 1870 fallen in Deutschland immerhin 16 September in diese Kategorie, 11 folgende Winter waren in Deutschland zu mild (1929/30, 34/35, 42/43, 47/48, 49/50, 75/76, 82/83, 99/00, 2006/07, 11/12, 14/15), 5 durchschnittlich oder zu kalt (1886/87, 95/96, 1932/33, 1961/62, 2005/06). Die durchschnittliche Temperaturabweichung dieser September vor einem milden Winter beträgt 2,5 K, diejenige vor einem durchschnittlichen oder zu kalten 2,0 K).
Wo liegen nun die unterschiedlichen Wege bei gleicher / ähnlicher Ausgangsbasis ?
Die Ausgangsbasis im warmen September, der zu mildem Winter führt:
Temperatur:
Man sieht, Mitteleuropa, speziell Deutschland bildet den relativen Wärmepol der gesamten NH, sehr kalte Luftmassen liegen über dem Nordosten Kanadas, auch über Südgrönland, sehr kalt oder kalt ist es auch östlich des Schwarzen Meeres und auch westlich von GB.
Bodendruck:
Man erkennt rege Tiefdrucktätigkeit über dem Nordosten Kanadas, Grönlands, Islands mit Austrogung vor der westeuropäischen Küste und hohen Luftdruck über Westrussland, für Mitteleuropa bedeutet dies eine südliche bis südwestliche Strömung, mal mehr zyklonal, mal mehr antizyklonal. Auf jeden Fall hat sich zwischen dem Nordosten Kanadas und Mitteleuropa ein gewaltiger Druck – und Temperaturgegensatz aufgebaut, Grund für Ausbildung von Aktionszentren.
Bodendruck im Oktober:
Erwartungsgemäß setzt sich die Tiefdrucktätigkeit im nordamerikanischen, grönländischen sowie isländischen Bereich fort, während der größte Teil Europas eher ruhiges Wetter zu erwarten hat.
Bodendruck im November:
Die größte negative Druckabweichung der NH gibt es jetzt über dem Nordmeer bei hohem Druck über Russland, eine großräumige Südwestkomponente der Strömung über Europa setzt ein, die dann auch den Dezember und Januar dominiert.
Wie sieht nun die Entwicklung aus, die von einem sehr warmen September zu einem durchschnittlichen oder zu kaltem Winter führt?
Ausgangslage im September
Temperatur:
Auch hier liegt West – und Mitteleuropa unter einer Glocke ziemlich hoher Temperaturen, aber die Musik spielt nicht hier, sondern über Nordsibirien. Über Nordkanada befinden sich zwar auch kalte Luftmassen, über Ostkanada und Grönland ist es jedoch milder, der Temperaturgegensatz zu ME hält ist geringer.
Bodendruck:
Es gibt zwar Ähnlichkeiten in der Druckverteilung zwischen beiden Mustern, der entscheidende Unterschied ist jedoch, dass die Zone größter negativer Druckabweichung nun östlich von Europa liegt, ME etwas stärker im Bereich hohen Drucks liegt, die Vorderseite kaum oder gar nicht ausgeprägt ist, also eher mildes ruhiges Wetter vorherrscht.
Bodendruck im Oktober:
Der größte Druckgegensatz hat sich nun zwischen NW – Russland und Ostsibirien aufgebaut, also östlich von Mitteleuropa, wobei die subpolare Tiefdrucktätigkeit über Grönland und Skandinavien gespalten wird und als dessen Folge tiefer Druck über West – und Mitteleuropa dominiert.
Bodendruck im November:
Es fehlt das starke Tief im Nordmeer, welches die Westdrift in Gang setzt, stattdessen liegt hoher Druck zwischen Neufundland und Südgrönland, dieser kann dann im Dezember in die Lücke stoßen, die sich zwischen dem tiefen Druck im Seegebiet nördlich Ostsibiriens und nördlich Alaskas (Aktionszentren) auftut.
Als Fazit könnte man sagen, warm ist nicht gleich warm, es kommt auch darauf an, die gesamte nordhemisphärische Situation einzubeziehen.
Und noch ein anderer Ansatzpunkt: Wenn die Septemberwärme – in Deutschland – einen maßgeblichen Einfluss auf den Winter – in Deutschland – hat, dann müsste dies zumindest in gewissem Maße sichtbar werden, wenn man die Septembermonate vor den 10 mildesten und 10 kältesten Wintern vergleicht.
Ich habe den in Deutschland 10 mildesten Wintern seit 1974 (74/75, 87/88, 88/89, 89/90, 94/95, 97/98, 2006/07, 07/08, 13/14 und 15/16) die 10 kältesten seit 1980 (80/81, 81/82, 84/85, 85/86, 86/87, 95/96, 2002/03, 05/06, 09/10 und 10/11) gegenübergestellt.
Temperatur:
Über Deutschland ist ein Unterschied kaum vorhanden. Über Finnland ist das schon eher der Fall, das heißt, ein in Deutschland milder Winter zeigt sich in einer hohen Temperatur des September in Finnland (idealtypisch), ein kalter Winter in Deutschland in tiefer Temperatur des September in Finnland. Am größten ist der Unterschied im Nordwesten der USA bzw. im Südwesten Kanadas sowie östlich des Schwarzen Meeres, das bedeutet, hohe (tiefe) Temperaturen im Grenzgebiet USA / Kanada im September lassen einen milden (kalten) Winter in ME erwarten, ein milder (kalter) Winter ist ebenfalls zu erwarten, wenn der September östlich des Schwarzen Meeres zu kalt (warm) ist. Dies sind wohl keine ursächlichen Verknüpfungen, sondern Symptome einer dynamischen Zirkulation, die sich ganz im Sinne der Globalisierung – wenn es sich hier auch nur um Nordhemisphärisierung handelt – über staatlichen Grenzen hinwegsetzt.
Gruß
KHB